Montag, 3. November 2014

Das Kaufhausmärchen

Eine Erzählung von Michael Keitsch


Ja, das Kaufhausprojekt am Verdi-Platz in Bozen, ob es nun gebaut wird, kann man nicht sagen. Was man aber sagen kann ist, die Geschichte darüber war bis jetzt recht amüsant!

Sie klingt doch eigentlich wie ein Märchen aus Grimm‘scher Feder:

Es war einmal eine Stadt, die sehr tief schlief. Nichts bewegte sich mehr in ihr – abgesehen von den vielen Menschen die jeden Tag zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkauf hin und her sausten. Die Lähmungserscheinungen gingen sogar so weit, dass ganze Stadtteile verfielen. Niemand schien etwas dagegen tun zu können – oder wollen? Das Einzige was die Bürger konnten – und zwar sehr gut – war darüber zu schimpfen.
So vergingen Tage, Wochen, Monate, Jahre – wenn nicht Jahrzehnte.
Bis plötzlich ein edler Samariter aus einer nicht all-zu-fernen Stadt im Norden daher geritten kam. In seinen Händen hielt er einen Plan, gezeichnet von einem Stararchitekten, ein Kaufhaus wollte er der Stadt schenken und so die Stadt wieder aufblühen lassen.
Ach wie entzückt waren da die Stadtväter: „Ein Kaufhaus in Zentrumsnähe, gratis noch dazu und dann noch von einem Stararchitekten entworfen! Wo gibt es das schon?“ dachten sie und empfingen den Samariter mit offenen Armen.
Auch das Fußvolk war begeistert, ja es himmelte den Wohltäter regelrecht an. Er, so dachten die Bürger, würde ihre Stadt endlich aus dem jahrelangen Schlaf reißen und wieder schön machen, ja das würde er. Die Begeisterung war so überwältigend, dass eigens ein Gesetz so angepasst wurde, dass das Kaufhaus realisiert werden konnte.

Die Freude der Stadtväter und des gemeinen Fußvolks drang natürlich alsbald auch in die Gemächer der bösen Laubenkönige vor. Ach, was waren sie erbost, als sie sahen wie der edle Samariter die Leute verzauberte und so ihre Macht bedrohte. Nein, ihre Macht wollten sie sich nicht so einfach entreißen lassen.
Der Emporkömmling sollte wieder dahin gehen, wo er hergekommen war, hatte er nicht andernorts genügend Kaufhäuser? Schnell ließen sie ein Gegenprojekt entwerfen und stellten es vor. Sie taten alles um ihre Machtposition zu verteidigen. Die Stadt gehörte ihnen - und so sollte es auch bleiben.

Doch sie rechneten nicht mit der Macht des edlen Samariters. Er ließ sogleich einen Ausstellungsraum für sein Projekt eröffnen und, als das nicht mehr reichte, zauberte eins-zwei-drei einen Fanclub herbei.
Die Laubenkönige schlugen zurück und engagierten ihrerseits einen bekannten Architekten, der in der Stadt bereits für seinen Entwurf zur Neugestaltung des Zugbahnhofes (von dem ich euch schon erzählte und noch erzählen werde) bekannt war.
Auch das reichte jedoch nicht um den lästigen Kontrahenten abzuschütteln. Als der edle Samariter zudem noch versprach den Haushügel der Stadt zu sanieren, hatte er das Volk endgültig für sich gewonnen. Natürlich mussten die Laubenkönige nachziehen, sie mussten eben alles tun, damit sie ihre Macht behalten konnten.

Allerdings – nachdem er seine Pläne bereits zweimal verkleinern lassen musste – schien es plötzlich so, als hätten die Laubenkönige ihr Ziel erreicht. Doch dann, im letzten Moment, reichte er sein Projekt doch noch beim Wettbewerb ein. Wie jauchzten da die Leut‘, „Er hat’s jetzt trotzdem noch eingereicht!“ jubelten sie.

So verging dann einige Zeit, bis es plötzlich feststand: Das Projekt des Samariters hat den Wettbewerb haushoch gewonnen, die Laubenkönige nicht mal die Mindestpunktezahl erreicht. Doch noch haben die Laubenkönige nicht aufgegeben, sie haben bereits versprochen, das Ergebnis des Wettbewerbs zu prüfen. Außerdem wollen sie Rekurs einlegen, der Samariter ist nämlich vorbestraft und ein Verbrecher dürfe schließlich ja nicht bauen.

Ja, so ist sie, die Geschicht‘ von der schlafenden Stadt, vom edlen Samariter und von den bösen Laubenkönigen. Zu Ende ist sie aber mit Sicherheit noch nicht.

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