Donnerstag, 3. Juli 2014

Die doppelte Stadt

Rund 104.000 Einwohner, 52,3 km² Fläche, acht Nachbargemeinden, fünf Stadtviertel, drei Flüsse, offiziell zwei Sprachgruppen, eine Stadt, kurz: Bozen.
Wer öfters in Bozen ist oder dort lebt, merkt es unweigerlich, die Stadt gibt es doppelt: Das deutsche Bozen besteht aus der Altstadt, Altgries, die (ländlichen) Gebiete am Fuße des Ritten (St. Anton, Bozen Dorf, St. Oswald, Rentsch, Bozner Boden) sowie dem ehemaligen Weiler Haslach. Das italienische Bozen, pardon Bolzano, umfasst vor allem die Viertel Don Bosco (Neugries), Europa-Novacella (Europa-Neustift) und Oltrisarco (Oberau).
Diese linguistisch-geografische Spaltung der Stadt setzt sich in allen Bereichen des öffentlichen Lebens fort.
Es gibt getrennte Kindergärten, Schulen, Theater, Bibliotheken, Vereine und sogar Gotteshäuser. Na gut, gelegentlich kommt es vor, dass Räumlichkeiten von beiden großen Sprachgruppen gleichermaßen genutzt werden.
Im Alltag leben die Sprachgruppen aneinander vorbei. Das kann man bis in die Gemeindeverwaltung hinauf spüren, der Gemeinderat ist nicht nur in rechte und linke Fraktionen gegliedert, nein es gibt auf jeder Seite jeweils eine deutsche und eine italienische Seite.
Eine Dualität, die eine lange Geschichte hat. Bozen war als Handelszentrum zwischen Nord und Süd immer schon ein Treffpunkt für Italiener und Deutsche. Kein Wunder also, dass es beide Sprachgruppen hier schon seit Jahrhunderten gibt.
Die italienischen Bozner, die Bolzanini, stellen aber erst seit dem Faschismus, der in Bozen überall seine Spuren hinterlassen hat, die Mehrheit.

Die Teilung der Stadt bemerkt man nicht nur an der Sprache, nein auch an der Umgebung. Während im deutschen Bozen, speziell in der Altstadt, viele Gasthäuser zu finden und alte Berufe (Bindergasse, Gerbergasse), einflussreiche Familien (Vintler- und Gumergasse, Kuepachweg) und ehemalige Bürgermeister (Dr. Streitergasse, Perathonerstraße) sowie Heilige (St.-Gertraudweg, Vigilstraße, St-Johann-Gasse) bei den Straßennahmen dominant sind, findet man im italienischen Bolzano viele Trattorie und Pizzerie, die Straßennamen orientieren sich hier vorwiegend an italienischen Städten (Via Milano, Via Venezia, Viale Roma) und römischen bzw. italienischen Dichtern und Feldherrn (Via Orazio, Via Virgillio, Viale Druso).

Diese Dualität in der Landeshauptstadt ist auch mitverantwortlich für lahme politische Verwaltung der Stadt.
Ganz überwinden wird man sie nie können, man kann sie aber durch gemeinsame, interkulturelle Initiativen verringern, was hoffentlich in naher Zukunft geschieht.

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